Elektra – eine blutige Tragödie auf der Studiobühne Paderborn

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Darsteller werden über die Bühne gezerrt, Kleidungsstücke fallen auseinander und blutige Rachepläne werden geschmiedet. Die Studiobühne an der Uni Paderborn präsentiert dieses Frühjahr die Tragödie „Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal und beweist wieder einmal, dass sie mehr als ein Laientheater ist. Vor allem die Hauptdarstellerin glänzt mit einer beeindruckenden und beängstigenden Performance.

Eine Tochter dürstet nach Rache

[pull_quote_left]Sie schlugen dich im Bade tot, dein Blut rann über deine Augen, und das Bad dampfte von deinem Blut. — Elektra (Hugo von Hofmansthal)[/pull_quote_left][dropcap]D[/dropcap]ie Handlung des Einakters ist schnell erzählt: Klytämnestra ermordet ihren Ehemann König Agamemnon zusammen mit ihrem Geliebten Ägisth. Seitdem dürstet die vaterliebende Tochter Elektra nach Rache. Sie prophezeit den Tod ihrer Mutter: Elektras Bruder Orest, der bereits als Kind weggegeben wurde, werde sie höchstpersönlich umbringen. Doch dann erreicht Elektra die Nachricht, dass ihr Bruder gestorben sei. Jetzt muss sie selbst zur Tat schreiten…

Unheimliche Atmosphäre und tötende Blicke

Elektra gespielt von Andra DeWit an der Studiobühne Uni Paderborn
Elektra (Andra de Wit) in ihrer gruseligsten Szene: Nicht nur Klytämnestra (Birgit Noll) ist da erschrocken.

[dropcap]D[/dropcap]ie Bühne ist beim Stück „Elektra“ sehr ungewöhnlich aufgebaut: Die Zuschauer sitzen sich gegenüber, ein Steg trennt sie voneinander. Auf der Hauptbühne ist eine Konstruktion, die aussieht wie ein Labyrinth, zu erkennen. Die Atmosphäre im Stück ist von Anfang an düster. Die Bühne und der dazugehörige Steg werden nicht komplett ausgeleuchtet, was diese beklemmende Stimmung nochmals erhöht. In einem lumpigen Kleid tritt Elektra, gespielt von Andra de Wit, auf. Ihre Augen sind dunkel geschminkt und ihr Blick wirkt wahnsinnig und wütend, als würde sie mit ihren Blicken töten können.

Edelsteine schützen weder vor Geistern,  noch  vor den Gefahren der Zuschauer

Klytämnestra gespielt von Birgit Noll an der Studiobühne Uni Paderborn
Klytämnestra (Birgit Noll) mit ihrem Edelstein-Stock. Vorsicht, nicht zu weit vorlehnen! 😉

Ein wenig gefährlich leben die Zuschauer in den ersten Reihen. Nicht nur, dass die Darsteller den Steg ständig mit einer derartigen Geschwindigkeit heraus- und herunterlaufen, dass die Zuschauer fürchten müssen, jemand könnte plötzlich stürzen. Die Mutter Elektras, Klytämnestra (Birgit Noll), wedelt außerdem sehr gefährlich mit ihrem Stock herum, der voll mit Edelsteinen besetzt ist. Dieser soll sie zusammen mit ihrem anderen Schmuck vor bösen Geistern schützen. Doch wenn ein neugieriger Zuschauer aus der ersten Reihe den Kopf etwas zu nah in Richtung Bühne vorstreckt, könnte er durch den schwingenden Stock auch selbst ins Reich der Geister befördert werden…

Starke Frauen-Figuren, starke Schauspielerinnen

Starke Frauenfiguren auf der Studiobühne an der Uni Paderborn
Starke Frauenfiguren auf der Studiobühne an der Uni Paderborn

Männerfiguren spielen in dieser Studiobühne-Inszenierung nur eine untergeordnete Rolle, erst zum Ende des Stückes treten sie auf. Die Bühne gehört den drei Frauenfiguren Chrysothemis, Klytämnestra und vor allem natürlich Elektra. Chrysothemis ist der Gegenpol zu ihrer Schwester Elektra, sie versucht das Vergangene zu vergessen und ein normales Leben zu führen. Die Königin ist abergläubisch und schreckt nicht vor menschlichen Blutopfern zurück. Birgit Noll stellt diese Rolle ausgezeichnet dar: Kostüm, Bewegung und Sprache sind hier bis zur Perfektion ausgearbeitet! Die Szene zwischen Elektra und ihrer Mutter ist die stärkste im ganzen Stück.

Dynamik auf der Bühne sorgt für zerstörte Strumpfhosen

Elektra (Andra DeWit) und Chrysothemis (Bettina Hammelrath) auf der Studiobühne Uni Paderborn
Elektra (Andra de Wit) und Chrysothemis (Bettina Hammelrath)

Während des gesamten Stücks herrscht eine ständige Dynamik auf der Bühne. Die Figuren sind immer in Bewegung und nutzen jeden Winkel der Bühne aus. Der dynamische Kontakt zwischen den Schauspielern ist dabei auch immer wieder von Gewaltszenen geprägt: Die rasende Elektra wirft ihre Schwester Chrysothemis (Bettina Hammelrath) auf den Boden und zieht diese wie eine Puppe hinter sich her. Ihrer Mutter gegenüber zeigt sie sich verbal und auch körperlich überlegen, bis sie diese beinahe mit ihrem edelstein-besetzen Gehstock erwürgt. So ist es nicht überraschend, dass die Strumpfhose der Elektra zum Ende des Stückes in Fetzen herunterhängt.

Unbedingt anschauen – trotz komischer Hundemasken!

Mein Fazit: Auf jeden Fall anschauen! Das kurze Stück der Studiobühne zieht einen schnell in den Bann und gerade die Hauptdarstellerinnen Andra de Wit und Birgit Noll zeigen eine bemerkenswerte schauspielerische Leistung. Ich habe mich sogar manchmal dabei erwischt, wie ich Angst vor Elektra bekam. Auch die Darstellerin der Chrysothemis, Bettina Hammelrath,  muss lobend erwähnt werden: Durch ihre sanfte Stimme und ihre im Vergleich zu Elektra ruhige Art sorgte sie zwischendurch immer wieder für eine kurze Erholung der Zuschauer.

Eine Frage bleibt mir am Ende jedoch: Sollten die maskierten Männer auf der Bühne Hunde darstellen oder was sollten diese komischen Masken?

Antwort von Andra de Wit (Hauptdarstellerin der Elektra): Die Masken des Hofpersonals haben sehr wohl einen Sinn: Diese Szene wurde von Hofmannsthal als eine Albtraumsequenz von Elektra und Chrysothemis erdacht. Deshalb sitzen wir ja auch so starr auf der Rampe, während alles andere um uns herum weiterläuft. Die Masken sollen das Groteske und Traumhafte der Situation verdeutlichen: Das Hofpersonal feiert den Tod von Orest wie eine Zeremonie-Vorbereitung. Die Masken sind also keineswegs nur zur Belustigung des Publikums gedacht.