„Generation Beziehungsunfähig“ – Michael Nast liest in Paderborn

Generation Beziehungsunfähig Michael Nast Paderborn

Welchen Stellenwert hat der Job in unserem Leben? Weshalb fühlen wir uns mit
dreißig noch immer nicht alt genug für eine eigene Familie? Was passiert, wenn wir uns als Individuen über alles andere stellen? Und sind wir wirklich alle beziehungsunfähig? Auf seine unvergleichlich charmante Art beantwortet Michael Nast in seinem Buch
GENERATION BEZIEHUNGSUNFÄHIG Fragen, die viele bewegen. Michael Nast hält der „Generation beziehungsunfähig“ einen Spiegel vor, ohne zu urteilen, und ermutigt zur Selbstreflexion. Ein augenöffnendes wie anregendes Buch, das sich liest wie ein Gespräch mit dem besten Freund.

Am 17. Februar startete die Lesetour von Michael Nast mit etwa 70 Terminen, von denen bereits zahlreiche ausverkauft sind. Am 02. Mai 2016 kommt er auch nach Paderborn und liest im Schützenhaus. Tickets bekommt ihr online bei eventim für 15,50 Euro.

Leseprobe: Auszug aus „Generation Beziehungsunfähig“

Aber als wir am Sonntag durch die menschenleeren Straßen liefen, begann ich, mein
Leben mit dem Leben meiner Eltern zu vergleichen, an welcher Stelle sie standen, als
sie in meinem Alter waren. Sie waren verheiratet, hatten ein Haus, Kinder und zwei Autos, alles war geordnet. Sie waren weiter als ich. So gesehen bin ich verglichen mit ihrem Leben gnadenlos gescheitert. Und damit bin ich nicht allein.

Wenn ich mich in meinem Umfeld umsehe, sind Kinder, Häuser oder Autos die Ausnahme. Die meisten Dreißigjährigen, die ich kenne, besitzen keine Autos, und obwohl sie schon irgendwie gern Kinder hätten, empfinden sie es erst einmal noch als zu früh, Eltern zu werden – und natürlich wohnen sie auch nicht in Einfamilienhäusern, sie wohnen in WGs. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat sich schon vor Jahren darüber beschwert, dass viele deutsche Autoren ihre Debütromane erst mit Mitte dreißig schreiben. Heutzutage gilt man mit Ende dreißig noch als „Jungautor“. Das lässt sich nicht nur auf die literarische Welt anwenden, es zieht sich quer durch alle Bereiche. Die Dinge haben sich verschoben. Beruflich und privat. Ein Job ist heutzutage mehr als nur ein Job, ein Beruf hat den Anspruch einer Berufung. Das liegt auch daran, dass keine Generation so zwanghaft in dem Bewusstsein aufgezogen wurde, etwas Besonderes zu sein, wie die heutige. Darum war in keiner Generation der Wunsch so groß, sich selbst zu verwirklichen. Arbeit gilt als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Wünsche und Träume. Man trennt nicht mehr zwischen Arbeit und Leben. Wenn man seine Träume verwirklicht, empfindet man seine Arbeit nicht als Arbeit, sondern als Leidenschaft. Man unterscheidet nicht mehr zwischen Arbeit und Privatleben, sie sind miteinander verwoben. Die Grenze löst sich auf, auch durch unsere ständige Erreichbarkeit. Mit unseren Smartphones haben wir das Büro ja praktisch immer dabei. Der Mittelpunkt des Lebens hat sich auf den beruflichen Erfolg verlagert, ganz unbemerkt.

Das eigene „Ich“ ist unser großes Projekt, die Arbeit ist da ja nur ein Detail. Wir sind mit
uns selbst beschäftigt. Wir werden zu unserer eigenen Marke. Die Frage, was unsere
Individualität am treffendsten versinnbildlicht, beschäftigt uns wie keine Generation zuvor. Wir modellieren unser Leben. Wir arbeiten an unserer Karriere, an unserer Figur und daran, unseren Traumpartner zu finden, als wäre unser Leben ein Katalogentwurf, dem wir gerecht werden wollen. Man entscheidet sich bewusst für Dinge, mit denen man sich einen angemessenen Rahmen für sein Leben zusammenstellt, die richtige Fassung gewissermaßen. Jedes Detail wird zum Statement, das unser Ich unterstreichen soll: Mode, Musikrichtungen oder Städte, in die man zieht, Magazine, wie man sich ernährt – und in letzter Konsequenz auch die Menschen, mit denen man sich umgibt. Im Spiegel habe ich schon vor einigen Jahren sinngemäß gelesen: Früher ging das Leben so: erwachsen werden, Beruf ergreifen, heiraten, Kinder und gut. Heute sind überall diese Stimmen, die flüstern, dass alles noch viel besser sein könnte: der Job, der Partner, das Leben und vor allem man selbst. Mit anderen Worten: Wir befinden uns in einem anhaltenden Zustand der Selbstoptimierung. Wir wissen, dass alles noch viel besser werden kann. Bis es perfekt ist. Das Problem mit dem Perfekten ist allerdings, das man diesen Zustand nie erreicht.

Die Beziehungs- und Bindungsunfähigkeit, von der heutzutage so viel geredet wird, ist nichts anderes als das Streben nach universeller Selbstverwirklichung, nach vermeintlicher
Perfektion. Man weiß einfach, dass es irgendwo noch jemanden gibt, der besser zu einem
passt, der das eigene Leben sinnvoller ergänzt. […] Aber es ist ja nun mal so: Wer sich
ausschließlich auf sich selbst beschränkt, verpasst eben auch alles andere.

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