„Wir kriegen unser Wirtschaftssystem nicht weggepredigt!“

Eugen Drewermann Paderborn

Als Teil einer Vortragsreihe über Völkerwanderungen im 21. Jahrhundert referierte Dr. Eugen Drewermann am 28. November 2016 um 19:30 Uhr im Restaurant „Zu den Fischteichen“ zum Thema „Geld, Gesellschaft und Gewalt: Kapital und Christentum.“ Zwei Stunden lang sprach Drewermann über Kapitalismus und dessen Einfluss auf das menschliche Miteinander. Veranstalter des Vortrages war die Paderborner Freimaurer-Loge „Zum leuchtenden Schwert“.

Drewermann stellte die These auf, Wirtschaft und Kapital seien zu einer Ersatzreligion geworden. Wirtschaftswachstum gelte als Mittel für die Lösung aller Probleme. Dafür seien sich alle gesellschaftlichen Teile einzusetzen: Bildung allein zur Förderung des wirtschaftlichen Nachwuchses, Natur bloß als kostenloser Lieferant für Ressourcen und der Mensch nur als Arbeitskraft, die bis zum Maximum ausgeschöpft werden solle. Drewermann zeichnete ein apokalyptisches Bild: „Was wir betreibe, ist die siebte Katastrophe“, so der Theologe. Eine Katastrophe, die mit dem Aussterben der Dinosaurier gleichzusetzen sei, denn der Mensch schaffe Bedingungen, die jedes Leben auf Erden eines Tages unmöglich machten.

Drewermann fragte sich und sein Publikum: Wie kommen wir da raus? „Wir kriegen unser Wirtschaftssystem nicht weggepredigt“, sagte ehemalige Priester. Kapitalismus reagiere nicht auf Moral und Mitgefühl, denn sein einziger Messfühler sei Renditesteigerung. Der Kapitalist kenne keine Verantwortung, außer die gegenüber den Aktionären.
Eine existentielle Kritik am Wirtschaftssystem der westlichen Welt übte Drewermann mit seinem Vortrag. Getrieben vom Wunsch nach mehr Kapital und gebeutelt von Kreditzinsen lebten die Menschen im moralischen Vakuum, in dem allein Geld einen Wert besäße. Sätze wie „Die freie Marktwirtschaft versklavt jeden“ und „der Reichtum der Reichen ist der Diebstahl an den Armen“ verdeutlichten die sozialistische Tonlage der Rede.

Eine Antwort auf die Frage, wie der einzelne Bürger nun mit den Erkenntnissen über Kapital und Wirtschaft umgehen könne, lieferte Drewermann erst in der anschließenden Fragerunde. Dass sich individuelles Engagement zu einer Bewegung von nachhaltiger Dimension akkumulierte, halte er für illusionär. Gesellschaftliche Entscheidungsträger müssten vom antikapitalistischen Handeln überzeugt werden und Moral müsse wieder den Platz von Kapital einnehmen: Als Ziel unseres Handelns. Dabei könne jeder Einzelne sich vor Frustration und Demoralisierung schützen, indem er aufrichtig und nach hohen moralischen Maßstäben handle, so Drewermann.

Rhetorisch weltklasse konnte Drewermann das Publikum die meiste Zeit in seinen Bann ziehen. Mit Bezügen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen verdeutlichte Drewermann, wie zeitgenössisch seine Thesen sind. Metaphern aus klassischer Literatur machte Drewermann deutlich, wie nachvollziehbar der Wunsch nach mehr Kapital für jeden sein kann. Scherze, die sich leichtem politischem Kabarett annäherten, lockerten die ruhige, ernste Atmosphäre zwischendurch auf.

Zum Schluss wurde der Vortrag etwas zäh und langatmig. Die anschließende Fragerunde offenbarte ein desillusioniertes und ratloses Publikum. Auch an der Garderobe im informellen Kreis wurde im Anschluss noch diskutiert. So lieferte die polarisierende Rede offenbar wertvolle Denkanstöße.

Bedenkt man, dass sich Freimaurer-Logen vornehmlich aus Unternehmern und Geschäftsleuten im Durchschnittsalter von etwa 60 Jahren zusammensetzen, ist es kaum verwunderlich, dass Drewermanns Thesen vielfach auf Widerspruch stießen. Drewermann wurde 1991 der Lehrauftrag und 1992 die Predigerbefugnis entzogen. Dabei wären seine Thesen sicher auch für junge Zielgruppen interessant.

Bildnachweis: Amrei-Marie | Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (zugeschnitten)

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