Die Entdeckung der Unendlichkeit im Kino Paderborn

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Da flossen einige Tränen im UCI Kino Paderborn: Die einfühlsame Beziehungs-Geschichte zwischen dem brillianten Astrophysiker Stephen Hawking und der gläubigen Sprachwissenschaftlerin Jane Wild erzählt von Liebe, Willen und Genialität.

Der junge Hawking: Charmant, brillant und verliebt

Die meisten von uns werden Stephen Hawking so kennen: Der vielleicht klügste Mensch der Welt sitzt von seiner ALS-Krankheit gezeichnet in einem Hightech-Rollstuhl, vor ihm ein großer Bildschirm, aus dem die charakteristisch blecherne Computerstimme tönt. Doch der Film beginnt mit einem ganz anderen Stephen Hawking: Dem jungen Oxford- und späteren Cambridge-Studenten, der charmant und schüchtern auf einer langweiligen Naturwissenschaftler-Party die junge Sprachwissenschaftlerin Jane Wild kennenlernt. Die Liebe seines Lebens. Wir sehen auch den brillanten Physiker, der dem Klischee entsprechend etwas schlampig und unorganisiert komplizierteste Aufgaben in kurzer Zeit beantworten kann. Dabei schreibt er die Lösung nicht auf ein Blatt Papier — das wäre ja zu langweilig –, sondern auf die Rückseite eines Busfahrplans. Wir bekommen aber auch schon zu Beginn des Films eine Vorahnung, was Stephen später widerfahren wird: Seine etwas unsichere, zittrige Haltung ist schon zu diesem Zeitpunkt erkennbar.

Eine schockierende Diagnose und riesige Kraftprobe

Doch richtig schlimm wird es erst, nachdem Stephen plötzlich auf dem Campus stürzt, weil er seine Beine nicht mehr bewegen kann. Die Diagnose ist schockierend: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Er hat noch zwei Jahre zu leben, sagen ihm die Ärzte. Er wird sie jedoch alle eines Besseren belehren. Hier beginnt nun die große Liebes- und Kraftprobe der jungen Beziehung zwischen Stephen und Jane. Und Jane ist es, die sich gegen alle Widerstände durchsetzt — auch gegen Stephen selbst — und sich für ein gemeinsames Leben mit ihm entschließt.

Jane: Eine starke Frau!

Ein entscheidendes Merkmal des Films ist, dass der Fokus nicht bloß auf dem großen Physiker mit der ALS-Krankheit liegt, wie man es z. B. aus unzähligen Hawking-Dokumentationen kennt. Nein, der Film stellt auch ganz klar seine Frau Jane in den Mittelpunkt. Das mag zunächst nicht weiter verwundern, denn der Film basiert auf ihren Memoiren „Die Liebe hat elf Dimensionen: Mein Leben mit Stephen Hawking„. Allerdings gelingt es dem Regisseur James Marsh (2009 Oscar für den Dokumentarfilm Man on Wire) hervorragend, Janes enormen Willen, ihren bewundernswerten Kraftaufwand und ihre Opferbereitschaft in den Fokus zu bringen. Wir können im Kinosessel mitfühlen, wie viel Kraft dieses Leben oft von ihr fordert, wie sich viele einzelne Situationen anhäufen und an ihr nagen. Wir sehen, wie viel  sie für diesen Mann zurückstellt und aufgibt. Wir sehen, wie sie an ihrer Promotion sitzt, während sie sich parallel um Kinder, Haushalt und den pflegebedürftigen Stephen kümmern muss. Ohne Jane, das wird schnell klar, wäre Stephen nicht der, der er heute ist. Das erklärt er auch selbst in realen Interviews immer wieder: „Sie hatte etwas, wofür ich leben wollte!“

Wenig Wissenschaft – viel Beziehung

Allerdings ziehen sich einige Szenen zwischen Jane und Stephen auch etwas in die Länge. Natürlich ist das einerseits notwendig, um die lange und aufreibende Kraftprobe Janes zu verdeutlichen. Andererseits hätte dem starken Fokus auf die Beziehung ab und zu etwas mehr Abwechslung gut getan. Zum Beispiel durch eine etwas tiefergehende Darstellung des Wissenschaftler Hawking. Die findet nämlich nur recht oberflächlich statt: Dabei wäre es interessant gewesen, einige seiner Thesen etwas anschaulicher und seinen wissenschaftlichen Werdegang etwas tiefgehender verfolgen zu können. Zwar wird Stephen immer wieder als genialer Kopf inszeniert: wie er seine Promotion besteht, wie er verschiedene Thesen aufstellt und Vorträge hält. Aber es bleibt eben bei einer kurzen Inszenierung — tiefer geht es selten.

Überragende Schauspieler!

Dennoch flossen reichlich Tränen im Kinosaal — und das zurecht: Der Film hat definitiv einige emotionale Höhepunkte, die einfühlsam unter die Haut gehen und uns das Beziehungsleben der Hawkings nachempfinden lassen. Zu einem der jetzt schon besten Filme des Frühjahrs 2015 macht ihn aber die überragende Schauspielleistung der Hauptdarsteller Eddie Redmayne (Stephen Hawking) und Felicity Jones (Jane Hawking)! Es ist einfach unglaublich, wie authentisch und nahezu perfekt Redmayne den ALS-erkrankten Hawking spielt. Wüsste ich nicht, dass es Redmayne ist, hätte ich ihn auch gut für den echten Stephen Hawking halten können. Kein Wunder, dass der frisch verheiratete Brite als heißer Anwärter für einen Oscar gehandelt wird. Aber auch Felicity Jones spielt Jane Hawking sehr glaubwürdig und ausdrucksstark. Hinzu kommt die wunderbare Filmmusik von Jóhann Jóhannsson und The Cinematic Orchestra, die gerade die emotionalen Höhepunkte perfekt untermalen.

Fazit: Einer der besten Filme des Frühjahrs 2015

Insgesamt ist der Film allein schon wegen der genialen Schauspielleistung von Eddie Redmayne einer der besten des Frühjahres 2015. Und das, obwohl das Frühjahr erst gerade begonnen hat.

Update 23.02.2015: Oscar für Eddie Redmayne

Seit gestern Abend hat Eddie Redmayne nun auch den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle als Stephen Hawking bekommen. Wir meinen: Mehr als verdient!

[sc:kino]