Morddrohungen an Bakalorz: „Das hat weh getan!“

Marvin Bakalorz

Eigentlich ist der Vorfall schon zwei Spieltage her: Marvin Bakalorz, Paderborns Nummer 6, grätscht zum Ball und foult dabei Marco Reus. Gelbe Karte für Bakalorz, Außenbandriss für Reus. Unschön, aber im Fußball nun mal nicht völlig vermeidbar! Die Reaktionen darauf reichten aber von Pöbeleien bis hin zu Morddrohungen, über die sich Bakalorz nun erstmals äußerte. Zeit für eine kritische Analyse der bisherigen Reaktionen.

„Nach einem Foul mit diesen Folgen gegen einen Nationalspieler gehört es im Bundesliga-Geschäft offenbar dazu, dass einige Medien sich auf einen einschießen“, erklärte Marvin Bakalorz heute in einem Interview mit der SportBild. Nachdem Jürgen Klopp in gewohnt unbeherrschter Manier den Spieler noch auf dem Platz heftig kritisierte, hatte sich der ehemalige Dortmunder Bakalorz längst für das Foul entschuldigt. Auch Paderborn-Trainer André Breitenreiter erklärte nach dem Spiel: „Er ist kreidebleich. Es tut ihm sehr leid!“ In den nächsten Tagen äußerte sich auch Marco Reus zu dem Vorfall und nahm die Entschuldigung an: „Ich glaube ihm, dass das Foul keine Absicht war, und er sich beim Anblick der TV-Bilder sogar selbst erschrocken hat. Damit ist das Thema für mich erledigt“, erklärte er gegenüber der BILD-Zeitung.

Klopp: »Meine Kinder tun sowas nicht!«

Eigentlich könnte man nun also einen Deckel auf den Vorfall machen, doch die Reaktionen einiger Medien und BVB-Fans haben dem Mittelfeld-Strategen — verständlicherweise — merklich zugesetzt, wie er heute in der SportBild berichtete:

Dass ich Morddrohungen erhalte, das ist nicht schön, das hat auch weh getan. Das wünscht man keinem. Grundsätzlich ist viel auf mich eingeprasselt.

Auf ihn eingeprasselt ist beispielsweise ein wütender Jürgen Klopp, der ihm laut SportBild auf dem Spielfeld vorgeworfen hat, dass er die Karriere von Reus gefährdet habe, „weshalb es richtig gewesen sei, ihm beim BVB keine Chance gegeben zu haben. Laut Ohrenzeugen folgten Schimpfwörter.“ Dass Jürgen Klopp seine Emotionen am Spielfeldrand selten unter Kontrolle hat, ist ausreichend bekannt. Und dass er im umgekehrten Fall ähnlich harte Kritik an seinen Spielern verurteilt und von sich weist, konnte man in den letzten Jahren auch zur Genüge beobachten. Spontan sei an Mario Götze erinnert, der — damals noch im BVB-Trikot — 2011 im Spiel gegen Bayer Leverkusen erst gegen seinen Kontrahenten nachtrat und ihn danach anspuckte. Klopps Reaktion: „Ich bin mir ganz sicher — und egal wie die Bilder aussehen — Mario tritt nicht nach! Schluss, Ende, Aus! Und spucken tut er schon gar nicht! Den Vorwurf lasse ich nicht gelten!“ Mit anderen Worten: „Meine Kinder tun sowas nicht! Das sind die anderen!“

Focus muss sich korrigieren: Bakalorz kein Treter!

Klopps Reaktion kann man angesichts der angespannten Lage beim BVB und des nun erneuten Ausfalls seines Hoffnungsträgers noch einigermaßen verstehen oder zumindest tolerieren. In der Pressekonferenz nach dem Spiel wirkte Klopp sehr viel entspannter: Er erklärte zwar, er habe Bakalorz früher schon gesagt, dass er nicht so unkontrolliert grätschen solle, nannte ihn aber auch einen „Top-Jungen“. Anders sieht es bei den Schlagzeilen mancher Nachrichtenmagazine aus: Focus Online bezeichnete Bakalorz etwa als „Reus-Treter“ und „Paderborn-Grätscher“, musste aber wenig später zurückrudern: Die Redaktion hatte die Foul-Statistiken geprüft und bemerkt, dass Bakalorz erst auf Rang 81 geführt wird. Wir haben die Statistik vorsichtshalber auch mal Jürgen Klopp gemailt…

Morddrohungen und Forderung nach Sperre

Auf Sky hatte dann „Experte“ Dietmar Hamann seinen Auftritt: „Den Bakalorz musst du bis Weihnachten aus dem Verkehr ziehen!“ Diesen Skandalrufen schloss sich sogar das sonst eher seriöse kicker-Sportmagazin an und titelte: „Sperre bis zur Genesung!“ Als wäre all das noch nicht genug, gipfelte die Hetze gegen den Spieler schließlich in Morddrohungen durch einige sogenannter BVB-Fans, von denen Bakalorz’s Vater in der Neuen Westfälischen berichtete. Auch auf der offiziellen Facebook-Seite seien z. B. Bilder aufgetaucht, „in denen jemand mit einer Pistole auf den Betrachter zielt.“ Bei allem Verständnis für die angespannte Situation beim BVB als mittlerweile Tabellenletzter und der Bedeutung von Marco Reus für den Verein: Ein solches Verhalten ist weder zu rechtfertigen, noch hat es irgendetwas mit Sport oder Fansein zu tun! Fußball ist und bleibt ein Spiel und keine Rechtfertigung für Möchtegern-Mörder!

Breitenreiter: Wie bei Enke!

Verständlich, dass sich André Breitenreiter infolge dieser Reaktionen an den Fall Robert Enke erinnert fühlt:

Man muss einen Menschen wie Marvin nicht so einer Hetzjagd aussetzen. Man kann nicht erwarten, dass jeder Spieler mental so stark ist, dass er mit tausendfachen Beleidigungen — ob von der Öffentlichkeit oder den Medien — so gut umgeht. Ich finde das ziemlich blöd und es zeigt mir, dass viele es nicht kapiert haben.

Es geht auch anders: »Doppelpass« und »Spiegel«

Dass es auch anders geht, hat z. B. die Diskussionsrunde „Doppelpass“ auf sport1 bewiesen (Video: siehe unten). Hier wurden sowohl Pro- als auch Contra-Argumente über die Schwere des Fouls von Bakalorz ausgetauscht — sachlich, unaufgeregt und reflektiert. Auch „Spiegel“-Redakteur Peter Ahrens verzichtet auf reißerische Skandal-Titel und reflektiert die Reaktionen auf das Foul kritisch: Seiner Meinung nach handelt es sich dabei um eine „verlogene Debatte“, bei der ein unzumutbarer Sonderschutz für Stars gefordert wird. In der 2. Liga hatte es an dem Wochenende ein ähnliches Foul mit einer ähnlichen Verletzung an Marc Rzatkowski gegeben — nur dass über den keiner spricht: „Als ob Superstars schützenswerter wären als gute Zweitligaprofis.“

Nur gut, dass der SC Paderborn treue Anhänger hat: Schon kurz nach den ersten Reaktionen änderten viele Fans aus Solidarität ihr Profilbild auf Facebook in ein Trikot von Marvin Bakalorz mit der Nummer 6. Auch der Spieler erklärt im SportBild-Interview, dass er sich von den Vorfällen letztlich nicht irritieren lässt und seinen Spielstil beibehält: „Es ist mittlerweile abgehakt!“ In diesem Sinne: Mach‘ weiter so Baka! Du bist ein toller Kerl und ein klasse Spieler!

Wie fandest du die Reaktionen auf das Foul von Bakalorz? Schreibe uns deine Meinung.

[vc_row][sc:ende][/vc_row]