Der Vorname – Darf ein Kind wie Hitler heißen?

Der Vorname Paderborn

Mit „Der Vorname“ läuft derzeit eine unterhaltsame und bitterböse Gesellschaftskomödie im Theater Paderborn: Freunde treffen sich zu einem Abendessen, doch nichts läuft so wie erwartet. Am Ende fliegen nicht nur die Fäuste, sondern auch das Essen durch die Luft, nachdem sich zahlreiche Abgründe vor dem Publikum aufgetan haben. Doch am Anfang steht die Frage: Darf ein Kind wie Hitler heißen?

Eine lustige Runde — oder?

Wer hätte mit diesem bitterbösen Verlauf zu Beginn des Stücks gerechnet? Zu fröhlicher Musik treten der etwas verschrobene Akademiker Pierre (Alexander Wilß) und seine umsorgende Frau Elisabeth (Kirsten Potthoff), genannt Babou, auf die Bühne. Sie sind in den letzten Vorbereitungen für ein gemütliches Essen mit alten Freunden. Bis hierher begleitet uns zudem der Schauspieler David Lukowczyk als einleitender Erzähler des Stücks: Er kommentiert die Szenerie, stellt uns die Figuren vor und kommt schließlich zu den Gästen. Zu allererst der gemeinsame Jugendfreund Claude: Ein hagerer, adrett gekleideter Blasmusiker, der freundlich und fast unterwürfig als Gegenentwurf bestehender Männlichkeitsideale daherkommt. Im Kontrast dazu steht Babous Bruder Vincent, als der sich der bisherige Erzähler David Lukowczyk pointiert zu erkennen gibt. Er tritt extrovertiert, witzig und provokant auf, findet  bei der Runde aber zunächst Anklang mit seinem Verhalten. Bis hierher wird uns eine lustige Runde vorgestellt, in der lediglich die Persönlichkeitsunterschiede und kleinere Spannungen zwischen den Figuren erkennbar sind. Doch dann erklärt Vincent ernsthaft, dass er seinen Sohn Adolphe nennen will und das Drama nimmt seinen Lauf…

Ein Vorname wie Hitler

Darf der Vorname eines Kindes wie der von Adolf Hitler klingen? Die witzige, unterhaltsame und auch nachdenklich machende Gesellschaftskomödie des französischen Regie-Duos Alexandre de la Patellière und Matthieu Delaporte nimmt an dieser Stelle richtig Fahrt auf: Fassaden bröckeln, Geheimnisse kommen ans Licht, die völlige Eskalation steht bevor. Der Streit um den Vornamen bringt dabei nur den Stein ins Rollen. Im weiteren Verlauf des Stücks tritt dieser völlig in den Hintergrund, denn es offenbaren sich viel dringendere Probleme und Abgründe in den Figuren. Zentraler Mittelpunkt ist dabei immer wieder der charmant-provokante Vincent, der sich nicht nur durch sein extrovertiertes Verhalten in den Vordergrund spielt, sondern auch von einem überragenden David Lukowczyk inszeniert wird. Die echten Probleme haben aber gerade die Personen, die nicht so sehr im Vordergrund stehen: Zum Beispiel Claude, der erst gezwungen werden muss, seine Meinung offen auszusprechen. Er lässt am Ende die größte Bombe platzen und für diesen Moment gehört ihm die Bühne allein. Oder Babou, die immer wieder von der Bühne verschwindet, um das nächste Menü zu servieren und das Stück am Ende mit dem pointierten Schlusssatz verlässt: „Leckt mich am Arsch und gute Nacht!“

Anschauen! Nur nicht in der ersten Reihe…

Mit „Der Vorname“ bringt das Theater Paderborn eine dynamische, witzige und unterhaltsame Gesellschaftskomödie auf die Bühne, die für einen kurzweiligen Theaterabend sorgt. Nur in der ersten Reihe solltet ihr vielleicht nicht unbedingt sitzen, es sei denn, ihr habt einen Schirm dabei: Es wird mit Essen geworfen und der überaus motivierte Alexander Wilß (Pierre) legt sich beim Artikulieren derart ins Zeug, dass ihr gelegentlich ein wenig nass werden könntet…