Das Studentenwerk Paderborn und der Kampf der Geschlechtergerechtigkeit

Studentenwerk Paderborn Studierendenwerk

Im Grunde geht es nur um ein Wort: Studentenwerk. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat dem Studentenwerk Paderborn auferlegt, sich bis 2017 in „Studierendenwerk“ umzubenennen. Die Bezeichnung „Student“ schließe weibliche Studierende kategorisch aus. Das Studentenwerk Paderborn klagt wiederum über die hohen Kosten, die eine solche Umstellung mit sich bringen würde. Letztlich würden diese auf die Semestergebühren der Studierenden zurückfallen.

Der Streit um den Titel „Studentenwerk“ im Rückblick

Nach der Anweisung der Landesregierung, das „Studentenwerk“ geschlechtsneutral in „Studierendenwerk“ umzubenennen, wies das Studentenwerk Paderborn darauf hin, dass der Name kein Widerspruch zur Geschlechtergerechtigkeit sei, da er eine hundert Jahre alte Tradition habe. Außerdem machte das Studentenwerk auf die damit verbundenen hohen Kosten aufmerksam. Die Pressesprecherin des Studentwerks Paderborn, Annette Ettingshausen, erklärte uns hierzu:

[pull_quote_center]Bei dem Begriff „Studentenwerk“ handelt es sich um eine feststehende Firmierung, die in Deutschland eine mehr als 100 jährige Tradition hat. In dieser Namensgebung sehen wir auch keinen Widerspruch zu der von der Politik gewünschten und von uns ausdrücklich unterstützten Umsetzung der Geschlechtergerechtigkeit.
– Annette Ettingshausen (Pressesprecherin des Studentenwerks Paderborn)[/pull_quote_center]

Die Landesregierung hatte allerdings vorher schon im Hochschulzukunftsgesetz vom Oktober 2014 eine geschlechtergerechte Änderung festgesetzt. Durch die Gesetzesänderung sollten Frauen im Hochschul- und Wissenschaftssystem „sichtbarer“ gemacht werden. Neben anderen Maßnahmen sollte dies vor allem auf der Ebene der Sprache geschehen. In einer öffentlichen Stellungsnahme schreibt das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung:

[pull_quote_center]Die nun erfolgte Namensanpassung trägt zur sprachlichen Präzisierung bzw. Modernisierung bei. Sprache ist nichts Statisches, sondern ist ständigen Veränderungen unterworfen.
– Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung[/pull_quote_center]

Grundsätzlich dürfen die ehemaligen „Studentenwerke“ nur noch „Studierendenwerke“ heißen, so das Gesetz. In NRW gibt es zwei Ausnahmen, die bereits einen geschlechtsneutralen Namen haben — das Akademisches Förderungswerk Bochum und das Hochschul Sozialwerk Wuppertal. Das Studentenwerk Paderborn findet das aber ungerecht, da es selbst keine Möglichkeit auf einen eigenständig gewählten, neutralen Begriff hatte. So versuchte es das Wort „Studentenwerk“ weiter durchzusetzen, indem es sich als „Anstalt des öffentlichen Rechts“ definierte und dem Wissenschaftsministerium einen neuen Satzungsentwurf vorlegte. Gerade erst war das Studentenwerk wieder umgezogen und hatte neue Schilder mit diesem Titel bedrucken lassen — da wurde der Entwurf abgelehnt. Jetzt muss sich auch Paderborn wie die elf anderen Studentenwerke in NRW umbenennen.

Viel Ärger um nichts?

Alle Studentenwerke müssen in „Studierendenwerke“ umbenannt werden, denn das neue Gesetz erlaubt keine anderen Titel. Die Übergangsfrist wurde auf 2017 gelegt, um den jetzigen „Studentenwerken“ genug Zeit für die Umbenennung zu geben. Das Studentenwerk Paderborn beschwert sich dagegen über hohe Kosten, die die Umstellung mit sich bringt: Mindestens 300.000 € würden laut dem Studentenwerk anfallen, die auf die Studierenden zurückfallen. Von erhöhten Mensapreisen, Mieten und Sozialbeiträgen ist die Rede.

Der Dachverband dagegen gibt sich gelassen, da er die Kosten durch geschicktes Haushalten weniger hoch einschätzt: Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände wie Briefbögen können auch weiter genutzt werden. Das Geschirr in der Mensa muss auch nicht neu bedruckt werden. Im digitalen Zeitalter ist das ja halb so wild, findet der Dachverband. Die Landesregierung ist der gleichen Meinung. In ihrem Schreiben heißt es:

[pull_quote_center]Die angeblich außergewöhnlich hohen Kosten sind nicht nachvollziehbar. Wir bezuschussen die Studierendenwerke jährlich mit über 44 Millionen Euro direkt. Außerdem werden die Verwaltungskosten ersetzt, das sind in diesem Jahr fast 19 Millionen.
– Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung[/pull_quote_center]

Das Studentenwerk hält eine andere Realität dagegen:

[pull_quote_center]Die zur Umbenennung nötigen Mittel sollten besser im Rahmen unseres gesetzlichen Auftrages der anspruchsberechtigten Zielgruppe zukommen. Seit Jahren wurden die Zuschüsse des Landes nicht der gestiegenen Zahl der Studierenden angepasst.
– Annette Ettingshausen[/pull_quote_center]

Eine unausweichliche Änderung?

Das Studentenwerk pocht auf die jahrelange Tradition seines Titels und sieht kein Problem hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit. Die Landesregierung hält die Veränderbarkeit der Sprache dagegen und sieht Frauen durch den Begriff „Student“ ausgeschlossen. Wer hat nun Recht?

Tatsache ist, dass es in Baden-Württemberg, Hamburg und Rheinland-Pfalz bereits Umbenennungen in „Studierendenwerke“ gegeben hat. Außerdem wird an der Uni Leipzig der Spieß derzeit umgedreht. Statt einer männlich-normierten Sprache, wird hier eine weibliche Normierung vorgenommen: Alle Professoren werden als „Professorin“ bezeichnet. Mittlerweile sind 50 % aller Studierenden in NRW weiblich. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass diese nicht ausgeschlossen werden — vor allem nicht in der Sprache:

[pull_quote_center]Bei Verwendung des generischen Maskulinums bleiben Frauen unerwähnt und damit auch in der Vorstellungskraft der Lesenden/Hörenden unsichtbar. Deshalb genügt es nicht, Studentinnen einfach nur „mit zu meinen“. Der gesetzliche Auftrag ist es, Frauen und Männer gleichermaßen anzusprechen und die Frauen grundsätzlich sprachlich sichtbar zu machen.
– Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung[/pull_quote_center]

Das Studentenwerk Paderborn erklärt seinerseits, dass es der Geschlechtergerechtigkeit offen gegenüberstehe. Es sieht jedoch keine Notwendigkeit den Titel „Studentenwerk“ zu ändern, da der Begriff „Student“ einen neutralen Status beschreibe und setzt die Wortherkunft vor das Wortgeschlecht.

[pull_quote_center]Der Begriff Student steht für eine an einer Hochschule, Fachhochschule oder Berufsakademie eingeschriebene Person. Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „strebend“ oder „sich interessierend“. Student ist somit kein geschlechtsbezogener Ausdruck.
– Annette Ettingshausen[/pull_quote_center]

Hier kollidieren zwei Meinungen: Sprachtradition und Verständnis für Sprachentwicklung. Zu guter Letzt kommen noch die Studierenden hinzu, die eine Erhöhung der Semesterbeiträge befürchten. In der Fachschaftsrätekonferenz der Uni Paderborn und beim AStA wird bereits von Petitionen und Klagen auf Gewohnheitsrecht gesprochen, um sich vor den Kosten zu schützen, die ihnen mit der Namensänderung drohen: Geschlechtergerechtigkeit schütze nicht vor leeren Mägen.

Was meint ihr? Sollte das Studentenwerk umbenannt werden? Ist es dabei gerechtfertigt, dass letztlich die Studierenden die Suppe auslöffeln müssen, weil sich die Köche nicht einigen?

[sc:uni ]