Das Salz der Erde im Kino Paderborn

„Ein Film über einen Fotografen… Das soll ich mir im Kino anschauen?“ — Wer eine langweilige Fotoshow auf der Kinoleinwand befürchtet, muss sich keine Sorgen machen! Die Bilder des brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado erzählen Geschichten von allen Kontinenten dieses Planeten und haben die Kunstszene der letzten Jahre geprägt. Diese beeindruckenden Bilder sensibilisieren unser Bewusstsein und schenken uns teils ganz neue Perspektiven auf uns Menschen und den Planeten, auf dem wir leben.

Bilder wie beim Turmbau zu Babel

Hunderte Menschen klettern oberkörperfrei in einem Erdloch herum. Sie sind ganz dreckig vom Schlamm, tragen dicke Säcke auf ihrem Rücken und man hört von oben das Gemurmel der vielen Menschen. Man fragt sich, wie sie die teils steilen Abhänge überhaupt hinauf und hinunter kommen, wie sie auf den Leitern dicht an dicht nach oben klettern können, ohne herunterzufallen. Wenn man diese unwirkliche Szene zu sehen bekommt, kriegt man automatisch ein Gefühl davon, wie die Pyramiden oder der Turm zu Babel gebaut werden konnten, erklärt uns der Fotograf Salgado. Mit einem Unterschied: Diese Menschen sind keine Sklaven! Sie suchen freiweillig nach Gold in einer Miene in Brasilien — getrieben vom Wunsch, reich zu werden.

Eine visuelle Zeitreise der letzten 40 Jahre

Es sind Bilder wie diese, die den Fotografen Sebastião Salgado so außergewöhnlich machen — und mit ihm diesen Film, der über ihn berichtet. Sein Sohn Juliano Ribeiro Salgado und Wim Wenders führen Regie bei dieser Dokumentation, die jüngst auch auf die Oscar-Shortlist für die beste Dokumentation 2015 gekommen ist. Wir werden mitgenommen auf eine visuelle Zeitreise der letzten 40 Jahre: Wir sehen andere Kulturen und Lebensweisen wie die der Menschen aus Salgados Bildband „Otras Americas“. Wir sehen das Leid der Tutsi während des Völkermords in Ruanda, „Ikonografien des Hungers, des Kriegs, des Todes“, wie es einst die SZ-Rezensentin Sonja Zekri beschrieb. Im Kontrast dazu sehen wir aber auch die lebendige Schönheit des afrikanischen Kontinents, den Salgado über 30 Jahre lang bereist hat. Wir sehen die Schöpfungsgeschichte der Erde aus Salgados Augen, vom Reptil bis zur Gestaltung des Planeten durch den Menschen.

Die Abwesenheit als Vater

Nicht zuletzt bekommen wir aber auch die persönliche Geschichte des Fotografen zu sehen. Die jahrelange Abwesenheit eines Vaters, der eine starke Frau an seiner Seite hat. Sein ältester Sohn, der den Vater als Kind eher als Abenteurer oder Superheld wahrgenommen hat. Und sein jüngster Sohn, der das Down-Syndrom hat und ebenso auf seinen Vater viele Jahre verzichten musste. Hier bleibt der Film etwas oberflächlich. Klar, im Vordergrund steht die Schaffensgeschichte des Künstlers, nicht die Familiengeschichte. Eine etwas kritischere und tiefergehende Reflektion über die Abwesenheit Salgados als Vater, hätte dem Film dennoch gut getan. Denn bei all den beeindruckenden Bildern und Geschichten, die vornehmlich den großen Künstler ins Licht rücken, muss man sich auch die Frage stellen: War es das wert? Die Liebhaber seiner Bilder werden keinen Zweifel daran lassen, aber dennoch frage ich mich, ob seine Kinder das nicht vielleicht anders sehen würden.

Fazit: Eindrucksvolle Bilder, aber kein Popcorn-Kino

Wir bekommen eindrucksvolle Bilder eines faszinierenden Fotografen zu sehen, welche die Geschichten unserer Welt erzählen und unseren Blick auf diese sensibilisieren. Wer eher auf Popcorn-Kino steht, sitzt hier allerdings im falschen Kinosaal und wird sich vermutlich langweilen. Schwierig ist auch, dass Salgado untertitelt und nicht synchronisiert wird. Das verleiht seinen Bemerkungen zwar Authentizität, es fällt allerdings auch manchmal schwer, sich gleichzeitig auf Untertitel und Bild zu konzentrieren. Wer darüber hinwegsehen kann, bekommt aber eine sehenswerte Dokumentation mit atemberaubenden Bildern auf die Leinwand.

Der Film läuft um jeweils 12 Uhr im Cineplex Paderborn: Alle Termine

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