SC Paderborn – Die Chronik eines Auf- und Absteigers

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Wer die jüngere Geschichte des SC Paderborn studiert, erkennt schnell: Der Verein hat sowohl Erfahrung mit Auf- und Abstiegen, als auch mit Trainer-Unstimmigkeiten und kleineren Skandalen. Insofern muss das Bild des „ruhigen Provinz-Clubs“ etwas korrigiert werden. Es macht aber auch Hoffnung, dass die diesjährige „Chaos-Saison“ gut verkraftet werden kann und auf den Abstieg bald wieder bessere Zeiten folgen werden.

Dotchev feiert Aufstieg und muss gehen

Vor 11 Jahren gelang dem SC Paderborn erstmals seit der Fusion der Aufstieg aus der Drittklassigkeit, in die er nun wieder zurückkehrt: Der ehemalige SCP-Spieler Pavel Dotchev führte den Verein als Trainer mit 70 Punkten 2004/05 auf den zweiten Platz der Regionalliga Nord. Bereits ein Jahr zuvor hatte Dotchev den Aufstieg auf dem dritten Platz nur knapp verpasst. Umso mehr verwunderte es viele, dass Dotchev den Verein in der zweiten Liga nicht weiter als Cheftrainer betreuen durfte. Sein Vertrag wurde nicht verlängert.

Stadion-Neubau mit Verzögerung

Da im Hermann-Löns-Stadion, der bisherigen Spielstätte des SCP, nur noch dank einer Sondergenehmigung des DFB Regionalliga- und Zweitligaspiele ausgetragen werden durften, wurde der Bau eines neuen Stadions notwendig. Bereits 2005 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Noch auf der Aufstiegsfeier gab man sich optimistisch, dass die Spiele zur Rückrunde der Saison 2005/06 in der neuen Spielstätte ausgetragen werden würden. Doch Anwohner-Klagen und Zahlungsschwierigkeiten zögerten den Bau letztlich um einige Jahre hinaus. Erst am 30. Juni 2008 fand die Eröffnung des Stadions, das heute Benteler-Arena heißt, statt.

Luhukay übernimmt und schmeißt hin

Trotz aller Proteste gegen den erzwungenen Abschied Dotchevs übernahm 2005/06 Jos Luhukay, der den SC Paderborn in seiner ersten Zweitliga-Saison seit der Fusion auf einen sehr guten neunten Platz führte. So sehr Wilfried Finke bereits sein Gespür für erfolgreiche Trainer andeutete — Luhukay sollte später Karriere als Erstliga-Trainer in Gladbach, Augsburg und Berlin machen und ist der neue Trainer des VfB Stuttgart –, so sehr wurde auch das Konflikt-Potential seiner Person erkennbar: Zwei Tage vor dem Auftakt der Saison 2006/07 gab Jos Luhukay überraschend sein Traineramt in Paderborn auf. Mit ihm zog sich auch der Sportliche Leiter und ehemalige SCP-Trainer Günther Rybarczyk aus seinem Amt zurück. Was war passiert?

Gestörtes Verhältnis zu Präsident Finke

Luhukay begründete seinen Blitz-Rücktritt mit einem „gestörten Vertrauensverhältnis zu Teilen der Vereinsführung“. Gemeint war in erster Linie SCP-Präsident Wilfried Finke, der erst nach den Journalisten über den Rücktritt informiert wurde. Nach einer 0:1-Niederlage in einem Testspiel gegen Oberligist Delbrück soll Finke zunächst in der Kabine gewütet und anschließend die von Luhukay und Rybarczyk verpflichteten Neuzugänge beleidigt haben. Außerdem soll er eigenmächtig den brasilianischen Stürmer Edu umworben und einen Spieler in Albanien gescoutet haben, ohne Luhukay zu informieren. Die Mannschaft stellte sich auf die Seite ihres Trainers und trug beim Aufwärmen T-Shirts mit der Aufschrift „Danke, Jos Luhukay!!!“. Trotzdem rühmte sich Finke später: „Als Jos Luhukay 2005 zu uns kam, konnte seinen Namen kaum einer aussprechen.“

Abstieg 2008: Fach und Born müssen gehen

2006/07 übernahm schließlich Holger Fach, der zuvor in der ersten Liga bei Gladbach und Wolfsburg als Trainer aktiv war. Er sicherte zwar mit dem 11. Platz den erneuten Klassenerhalt, jedoch gelang ihm das in der Folgesaison nicht mehr. Fach musste im Februar gehen und wurde durch Pavel Dotchev ersetzt, der in der Aufstiegssaison 2004/05 noch den bitteren Abschied aus Paderborn hinnehmen musste. Zeitgleich wurde auch der Sportliche Geschäftsführer Michael Born entlassen und von Christian Schreier abgelöst.

Finke tritt 2009 als Präsident zurück

Dotchev konnte den Abstieg des SC Paderborn in die dritte Liga nicht mehr verhindern, führte den Verein in der nächsten Saison jedoch wieder auf die Aufstiegsplätze. Nach einer überragenden Hinrunde, der Herbstmeisterschaft und acht Punkten Vorsprung auf den ersten Nichtaufstiegsplatz, nahm die Leistung des SCP gegen Ende der Saison stark ab: Am 33. Spieltag verloren die Paderborner beim bis dahin Tabellen-Dreizehnten Braunschweig und rutschten auf den Relegationsplatz ab. Präsident Wilfried Finke zeigte sich nach der Partie derart enttäuscht, dass er noch in der laufenden Saison von seinem Amt zurücktrat: „Mit einer solchen Einstellung kann ich mich nicht identifizieren. Vielleicht braucht unsere Mannschaft genau dieses Signal.“ Nach dem Aufstieg fiel ihm die Identifikation offenbar weniger schwer und so kehrte er nach nur wenigen Monaten zurück in sein Amt.

Saison 2009 zeigt Parallelen zu 2016

Die Parallelen zur diesjährigen Abstiegssaison sind dabei unverkennbar: Neben dem Rücktritt von Präsident Finke wurde auch 2009 der Sportliche Leiter, damals Christian Schreier, und wenig später Trainer Pavel Dotchev entlassen. Einen Spieler-„Skandal“ samt Suspendierung gab es ebenfalls: Sercan Güvenisik, der bis dahin beste Torschütze der Paderborner, hatte nach seiner Auswechslung in Braunschweig kopfschüttelnd sein Trikot an der Seitenlinie abgelegt und war wütend in der Kabine verschwunden. Anschließend suspendierte ihn Dotchev. Auch damals wurde in den Medien von „Chaos-Tagen“ in Paderborn gesprochen. Ein wichtiger Unterschied allerdings: Damals ging es um den Aufstieg, nicht um den Abstieg.

Dotchev verklagt den SC Paderborn

Auf Dotchev folgte André Schubert, der bereits das Amt des Sportlichen Leiters von Christian Schreier übernommen hatte. Doch die Freistellung von Pavel Dotchev hatte Folgen: Der Trainer fühlte sich vom Verein ungerecht behandelt — vor allem nachdem ihm erneut die Führung der Mannschaft in die zweite Liga versagt wurde. Laut seines bis 2010 laufenden Vertrags hätte Dotchev ein Grundgehalt, einen Dienstwagen, Punktprämien und eine Aufstiegsprämie kassieren können. Die Freistellung kurz vor Saison-Ende nahm Dotchev so nicht hin und verklagte den Verein. Das Landesarbeitsgericht gab ihm recht und verdonnerte den SCP zu einer Zahlung von 132.000 Euro an seinen ehemaligen Trainer.

Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga

Nichtsdestotrotz beendete der SC Paderborn die Saison auf dem dritten Platz und setzte sich im Relegationsspiel gegen Osnabrück durch. Am Ende stand somit der umjubelte Wiederaufstieg in die zweite Liga.

Mit André Schubert wurde abermals ein Trainer verpflichtet, der heute ein erfolgreicher Bundesliga-Coach ist: Mit Borussia Mönchengladbach erreichte er diese Saison die Qualifikation zur Champions-League nach einer historischen Aufholjagd. Auch in Paderborn leistete Schubert gute Arbeit und brachte den Sportclub gleich im ersten Jahr des Wiederaufstiegs auf einen hervorragenden fünften Platz.

Kritik an Schubert und der St. Pauli-Wechsel

Die zweite Saison unter Schubert verlief schwieriger, am Ende stand aber dennoch der sichere Klassenerhalt auf Platz 12. Während andere Zweitliga-Vereine in der unteren Tabellen-Hälfte aufgeregt ihre Trainer wechselten, blieb es in sportlicher Hinsicht beim SC Paderborn ruhig. Keine Trainer-Entlassung, keine Spieler-Suspendierung, keine Fan-Ausschreitung. Und dennoch brodelte es an anderen Stellen, vor allem um Trainer André Schubert: Wilfried Finke unterstellte ihm, ein „Problem mit seiner Dünnhäutigkeit und mangelnder Kritikfähigkeit“ zu haben, einige Spieler monierten einen rüden Umgangston, die Presse interpretierte sein Verhalten als unprofessionell. Schubert selbst gab später zu:

Ich war in meiner Startphase in Paderborn sehr misstrauisch und habe das Team abgeschottet. Daher galt ich schnell als unprofessionell gegenüber der Presse.
André Schubert, offenes Interview

Am Ende der Saison gab Schubert bekannt, Paderborn verlassen zu wollen. Er sei „mit der Etat-Minderung um rund zehn Prozent nicht einverstanden“ gewesen, wie Präsident Finke später in einem Interview erklärte. Sein neuer Verein war der FC St. Pauli, dem sich später auch die SCP-Leistungsträger Florian Mohr und Sören Gonther anschlossen. Das Pikante dabei war, dass die Spieler den Verein ablösefrei verlassen konnten und Schubert ihre Vertrags-Situation kannte. Auch das sorgte für einigen Unmut im Verein.

Prügelnde Spieler sorgen für Skandale

Hinzu kamen einige Spieler-Skandale, die zum Teil für heftige Negativ-Schlagzeilen sorgten: Gegen den SCP-Spieler Jorge Mosquera wurden Ermittlungen eingeleitet, nachdem er in einer Paderborner Disco zwei Frauen geschlagen haben soll. Auch Mittelfeldspieler Enis Alushi wurde beschuldigt, die Frauen als „Schlampen“ bezeichnet und Gewalt angedroht zu haben. Wenig später waren zwei weitere SCP-Spieler in einer Schlägerei verwickelt: Nick Proschwitz, der später auch den Penis-Skandal auslöste, und Florian Mohr sollen sich mit einem Betrunkenen in einem Dönerladen geprügelt haben. Mohr wurde dabei die Nase gebrochen.

Höchste Ablöse für einen Zweitliga-Trainer

Mit Roger Schmidt bekam der SC Paderborn 2011 wieder einen Trainer, der heute mit Bayer Leverkusen einen der besten Vereine Deutschlands trainiert. Auch Schmidt führte Paderborn in seiner ersten Saison dank offensivem und laufintensivem Fußball auf den fünften Platz der zweiten Bundesliga. Unter ihm wurde zudem Nick Proschwitz mit 17 Treffern Torschützenkönig. Der Erfolg des bis dahin im höherklassigen Fußball unbekannten Trainers blieb nicht außer Acht: Red Bull Salzburg warb Schmidt beim SC Paderborn ab. Im Gegenzug erhielt der Verein eine Ablösesumme im siebenstelligen Bereich – der größte Transfer-Erlös, der je für einen Zweitliga-Trainer gezahlt wurde.

„Unterschiedliche Auffassungen“: Stephan Schmidt muss gehen

Auf Roger folgte Stephan Schmidt, der Wolfsburgs U19 zuvor zur Meisterschaft geführt hatte. Dieser konnte sich jedoch nicht mal eine Saison beim SC Paderborn halten: Auf die sportliche Talfahrt — Paderborn belegte am Ende der Saison den 12. Platz — folgte noch während der Saison die Entlassung. Ausschlaggebend sollen laut Präsident Finke jedoch erneut „unterschiedliche Auffassungen über die Kaderplanung und die weitere strategische Ausrichtung der Mannschaft“ gewesen sein. Der heutige Cheftrainer René Müller übernahm die Mannschaft bis Saison-Ende.

Sensations-Aufstieg in die 1. Bundesliga

Mit André Breitenreiter übernahm 2013/14 ein Trainer den SC Paderborn, der hier seine erste Trainerstation im Profifußball antrat (zuvor nur TSV Havelse) und den Verein gleich zu seinem größten Erfolg führte. Auch Breitenreiter wurde in Paderborn zum begehrten Bundesliga-Trainer, der anschließend zum FC Schalke 04 wechselte. Zuvor schaffte er allerdings das, woran seine Vorgänger noch gescheitert waren: Mit der Vizemeisterschaft in der zweiten Liga gelang Breitenreiter der sensationelle Aufstieg in die erste Bundesliga. Die Medien überschlugen sich, der „Provinz-Verein“ aus Paderborn spielte künftig ganz oben mit. Nebenbei wurde Mahir Saglik auch noch Torschützenkönig der zweiten Bundesliga.

Tabellenführer der Bundesliga und Rekordtor

In der ersten Bundesliga rechnete eigentlich niemand dem SC Paderborn große Chancen aus. Umso erstaunter zeigte sich die Fußballwelt, als „der krasseste Außenseiter der Bundesliga-Geschichte“ nach dem vierten Spieltag plötzlich Tabellenführer war. Und das wurde obendrein durch ein Rekordtor von Moritz Stoppelkamp aus über 82 Metern besiegelt. Dem SCP flog in der Folge viel Sympathie entgegen. Auch wenn der Verein am Ende der Saison als Tabellen-Letzter wieder aus der Bundesliga absteigen musste, hatte er Eindruck hinterlassen.

Skandale, Entlassungen, Abstieg

Auf Breitenreiter folgte Markus Gellhaus, der wiederum von Stefan Effenberg abgelöst wurde. Die Zweitliga-Saison entwickelte sich zur völligen Katastrophe und endete im erneuten Abstieg und dem Rücktritt von Präsident Wilfried Finke. Begleitet wurde die gesamte Saison von Skandalen, Suspendierungen, Entlassungen und Fan-Boykotten. Einen ausführlichen Bericht dazu findet ihr hier: „Der Abstieg des SC Paderborn ist hausgemacht!“

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